01.08.2013
Kurze Vorbetrachtung
Mit unserer aktuellen Veröffentlichung möchten wir durch das Aufzeigen von Tatsachen und Wechselwirkungen in unserem Geldsystem auf akute Probleme hinweisen. Der Vorstand der EOZB ist einstimmig in der Meinung, dass das derzeitige, völlig undemokratisch funktionierende Finanzsystem dringend einer tiefgreifenden Reform bedarf. Einige Kernprobleme werden durch die folgende Analyse deutlich.
Wie Banken Geld machen
Einblicke in ein Schneeballsystem
Die hier dargestellten Mechanismen des Geldsystems sollen nicht die klassischen, weitestgehend bekannten Probleme des Kapitalismus negieren. Eine aufgeklärte Geldsystemanalyse ist nicht als „Verkürzte Kapitalismuskritik“ zu verstehen, sondern vielmehr als Erweiterung eben dieser Kapitalismuskritik. Auch ist mit den dargestellten mathematisch-logischen Fakten des Geldsystems keine Kritik an bestimmten Berufsgruppen zu verwechseln. Ziel ist viel mehr aufzuzeigen, dass die Probleme im Geldsystem systemischer Natur sind, nicht akteursbezogener.
Im gesellschafts- politischen Diskurs sind derzeit aus fast allen politischen Richtungen systemkritische Stimmen zu hören. „Konservative“ erkennen dass „Linke“ oft Recht hatten, es wird gemahnt und gewarnt, und dass der real existierende Kapitalismus nicht funktioniert, scheint mittlerweile eine Binsenweisheit geworden zu sein.
Dennoch tut die immer breitere Kritik dem derzeitigen EU-Krisenmanagement keinen Abbruch. Die europäische Polit-Elite droht mit dem umstrittenen ESM-Vertrag das europäische Demokratie- und Transparenzdefizit nicht nur zu zementieren, sondern auch nationalstaatliche Handlungsspielräume weiter einzuschränken, so die Kritiker des so genannten Rettungsschirms.
Auch wenn generell eine koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik Teil einer Währungsunion sein sollte, stellt sich doch die Frage, unter welchen Voraussetzungen und Kriterien dieser Politikwechsel nun verwirklicht werden soll.
Die öffentliche Debatte über Geld wird derweil unermüdlich geführt, doch woher Geld überhaupt kommt und wie unser Geldsystem funktioniert, wird dabei kaum erörtert. Dass der im Geldsystem verankerte Zinseszins mathematisch bedingt zu einer immer stärkeren Vermögensumverteilung führt, ist unwiderlegt. Kritiker dieser These werden zwar vereinzelt noch laut, lassen sich aber recht leicht widerlegen.
Ein weiterer bedeutender, aber viel seltener diskutierter Fehler im derzeitigen Geldsystem liegt jedoch in der gängigen Praxis der Geldschöpfung. Diese Praxis ist zutiefst ungerecht und undemokratisch. Da es ohne ein demokratisches Geldsystem auf Dauer auch keine funktionierende Demokratie geben kann, soll im Folgenden noch einmal detailliert diese Thematik vertieft werden.
Die Mindestreserve
Neben den Basler Richtlinien zur Eigenkapitalquote nimmt die Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der Zentralbank eine wichtige Funktion im derzeitigen Geldsystem ein. Diese Mindestreserve beträgt im Euroraum derzeit 1%. Die Mindestreserve muss von einer Geschäftsbank auf dem eigenen Zentralbankkonto hinterlegt werden – und zwar für das Buchgeld, das die Geschäftsbank auf den Girokonten ihrer Kunden gutgeschrieben hat.
Erzeugung von Buchgeld
Da eine Bank also nur über 1% der von ihr gebuchten Gelder wirklich verfügen muss, ergibt sich daraus, dass die Bank Geld erzeugen oder auch „schöpfen“ kann. Um einen Kredit von 10.000 Euro zu vergeben benötigt die Bank 100 Euro anderweitig nicht benötigtes Guthaben auf ihrem Zentralbankkonto. Verfügt die Bank über diese Rücklage bei der Zentralbank, kann der Kredit an den Kunden direkt vergeben werden: Dem Kunden der Bank werden also einfach 10.000 Euro auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Geld das vorher niemand anderes besaß, es wurde durch die Kreditvergabe erst geschöpft, sprich die Information hierüber wird in die Computerdatei des Girokontos geschrieben. Obwohl die Bank das geschöpfte Geld vor dem Kredit nicht besessen hatte, da es schlichtweg nicht existierte, ist sie nun berechtigt Zins für das neu geschöpfte und zugleich verliehene Geld zu kassieren. Zu beachten ist auch: Analog zur Erzeugung des Buchgeldes durch Kreditvergabe wird das Buchgeld durch Kreditrückzahlung wieder vernichtet; d.h. würden (in einem theoretischen Moment) tatsächlich alle Kredite zurückgezahlt, gäbe es kein Buchgeld mehr.
Durchführung der Kreditvergabe
Klassischerweise mussten Kreditnehmer vorweisen „kreditwürdig“ zu sein. De facto wurden diese Voraussetzungen jedoch längst außer Kraft gesetzt, da Banken natürlich ein Interesse daran haben immer mehr Schuldner zu erzeugen. Privathaushalte (bspw. im Zuge der Subprime-Kreditvergabe), Unternehmen und schließlich ganze Staaten gerieten und geraten so massenhaft in die Schuldenfalle. Aber was genau geschieht nun bei der Kreditvergabe von 10.000 Euro an einen Bankkunden? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Fall Eins: Die Geschäftsbank verfügt auf ihrem Zentralbankkonto noch über 100 Euro, als so genannte Überschussreserve. Mit 100 Euro freiem Guthaben auf ihrem Zentralbankkonto kann die Bank wie oben beschrieben 10.000 Euro Kredit vergeben.
Fall Zwei: Die Bank nimmt einen Kredit von der Zentralbank über die 100 Euro auf und vergibt dafür einen Kredit von 10.000 Euro. Dies ist laut dem oben genannten PDF der Bundesbank der Normalfall. Für die 100 Euro zahlt die Bank den Leitzins an die Zentralbank und kassiert den weit höheren Kreditzins über 10.000 Euro vom Kunden.
Fall Drei: Ein anderer Kunde zahlt 105 Euro in bar bei der Bank ein und die Bank bucht die 105 Euro auf ihrem Zentralbankkonto ein. In diesem Fall kann die Bank dann 100 Euro Bargeld als Absicherung für den 10.000-Euro-Kredit benutzen. Die verbliebenen 5 Euro Bargeld reichen als Reserve für bis zu 500 Euro Sichteinlage des Kunden, der die 105 Euro Bargeld eingezahlt hat, welches nun zu Buchgeld auf seinem Girokonto bei der Geschäftsbank geworden ist. In diesem Fall spart die Bank die Zinsen für den 100-Euro-Kredit von der Zentralbank.
Fall Vier: Ein Kunde legt 10.000 Euro Sichteinlagen für mindestens 2 Jahre auf einem Sparbuch fest an. Dieses Geld wird dadurch zur Spareinlage und muss nicht mehr von der Mindestreserve der Bank abgedeckt werden.
Falls der Kunde das Geld allerdings bar abheben will, müsste sich die Bank 10.000 Euro Bargeld besorgen, sofern sie diese gerade nicht im Tresor hat. Das bedeutet, sie müsste im Extremfall weitere 10.000 Euro bei der Zentralbank als Kredit aufnehmen und sich in bar auszahlen lassen. Wird nun nach der Kreditvergabe der Kredit in Höhe von 10.000 Euro als Bargeld ausgezahlt und bei einer anderen Bank wieder eingezahlt (siehe Fall Drei), könnte diese Bank dann diese Summe wieder bei der Zentralbank hinterlegen, diese 10.000 Euro, die dann wieder Buchgeld sind, mit 100 Euro Bargeld absichern, und die verbleibenden 9.900 Euro Bargeld nutzen, um 990.000 Euro Buchgeld zu schaffen. Wie viel Geld Banken durch Kredit schöpfen können ist also auch vom Verhalten ihrer Kunden abhängig. Wenn eine Bank viele kleine Privatkunden hat, die relativ viel Bargeld abheben und wenig digitale Geschäfte tätigen, wird sie relativ mehr Bargeld brauchen als eine sehr große Geschäftsbank mit vielen Großkunden, die ihre Geschäfte meist digital abwickeln.
Verhältnis Bargeldmenge zu Buchgeldmenge
Aus der aufgezeigten Kreditvergabepraxis ergibt sich, dass nur für einen Teil der Buchgeldmenge, Bargeld zum Auszahlen existiert. Dennoch wird von Seiten der Banken versucht, den Eindruck zu erwecken, jeder Kunde könnte jederzeit sein Geld abheben. Es liegt im Interesse der Banken Buchgeld als kongruent zu Bargeld erscheinen zu lassen. Allerdings ist nur Bargeld (also Zentralbankgeld) gesetzliches Zahlungsmittel. Geschäftsbanken sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Geschäfte digital getätigt werden ohne dass echtes Bargeld zum Einsatz kommt, denn eine Geschäftsbank kann nicht beliebig hohe Kredite von der Zentralbank aufnehmen. Diese müssen wiederum besichert sein. Die genauen Geschäftsgebaren zwischen Geschäftsbanken zu Zentralbanken sind jedoch sehr komplex. Als Kunde kann man die Macht von Geschäftsbanken schmälern in dem man möglichst viel Bargeld vom eigenen Girokonto abhebt.
Tilgung des Kredits
Da das von Beginn an todgeweihte Buchgeld durch Kreditrückzahlung wieder vernichtet wird, entsteht für die Banken ein Anreiz, die Tilgung zeitlich so weit zu verzögern wie möglich. Die von der Bank vorgeschlagene monatliche Tilgung (=Kreditrückzahlung) ist im Normalfall viel niedriger als der monatlich zu zahlende Zins. Sondertilgungen sind nicht immer möglich. Durch diese vorherige Festlegung wird es dem Kunden unmöglich gemacht, vorzeitig das Kreditverhältnis zu beenden, auch wenn er theoretisch dazu in der Lage wäre. Ziel der Banken ist es, Kunden möglichst lange in der Zinszahlungspflicht zu halten.
Das Zinssystem als weiteres ungerechtes Element des Geldsystems
Die Erlaubnis für einen “Rohstoff” (Buchgeld), der einfach als digitale Recheneinheit geschaffen wird einen Preis (Zins) kassieren zu dürfen, ist ein Alleinstellungsmerkmal der Banken am Markt. Buchgeld zieht zudem weiteres Geld an. Wer viel hat, bekommt im bestehenden Geldsystem immer noch mehr: Geld das auf Konten oder Sparbüchern geparkt ist und verzinst wird, wird durch die Zinsen mehr und die Gesamtsumme wird dann wiederum verzinst, der so genannte Zinseszinseffekt. Mathematisch gesehen handelt es sich hierbei um eine Exponentialfunktion: eine Kurve, die erst langsam ansteigt aber nach einigen Jahrzehnten regelrecht nach oben “explodiert“. Wer hingegen verschuldet ist, muss nicht nur seine Schuld abtragen, sondern auch noch die Zinsen für seinen Kredit finanzieren. Zu beachten gilt dabei auch, dass die „vollen“ Konten der Einen das Rückzahlen der Schulden der Anderen erschweren bzw. unmöglich machen.
Wie oben aufgezeigt entsteht Buchgeld als Schuld. Wird Buchgeld auf einem Konto gespart und nicht mehr ausgegeben, muss die Buchgeldmenge also weiter erhöht werden, damit überhaupt an anderer Stelle die laufenden Kredite (=Schulden) bedient werden können. Dies führt zu immer neuen Schulden. Auch die Tatsache, dass der Zins in der geschöpften Kreditbuchgeldmenge nie enthalten sein kann, führt zu immer neuen Schulden. Der Zins muss entweder der bereits vorhandenen Geldmenge anderer Marktteilnehmer entnommen werden, oder aber wiederum durch neue Kredite finanziert werden (entweder vom Kreditnehmer selbst, oder von anderen Markteilnehmern, die ihrerseits im Wirtschaftsprozess den Beispielkreditnehmer bezahlen). Ein klassisches Schneeballsystem.
Sonderfall der Buchgeldschöpfung
Es wird immer wieder behauptet, Banken könnten nicht einfach für sich selbst Buchgeld erschaffen. Die Bundesbank widerspricht dem in folgendem Zitat eindeutig: „Auch kann die Geschäftsbank den Ankauf eines Vermögenswerts durch Gutschrift des Kaufbetrags auf dem Konto des Verkäufers bezahlen. Sie ist dann Eigentümerin des Vermögenswerts. Das kann beispielsweise eine Immobilie sein, die sie selbst nutzt oder die laufend Mietertrag abwirft. Bezahlt bzw. finanziert hat sie diese Immobilie mit selbst geschaffenem Giralgeld.”
Fazit
Die Buchgeldmengensteuerung über eine Mindestreserve von nur 1% bietet Banken den Ausgangspunkt zum Schaffen von neuem Geld. Die Entstehung des Geldes als Schuld (also als laufender Kredit für den Zinsen zu entrichten sind) gepaart mit ungleicher Verteilung desselben, sorgt ebenfalls für immer neue Schulden. Hinzu kommt die Geldmenge der Zinsen, die als Preis der Buchgeldmenge nicht in ebendieser Buchgeldmenge enthalten sein kann, und somit wiederum nach Finanzierung über neue Schulden verlangt.
Mit einem solchen Blick auf die uns oft verborgenen Mechanismen im Geldsystem, lässt sich schließlich auch die Entstehung des modernen Finanzkapitalismus miterklären. Die riesigen Buchgeldmengen schreien nach Anlagemöglichkeiten. Dies ist, neben anderem, ein Grund für die Entwicklung von immer neuen „Finanz-Produkten”. Die Kreditvergabe durch Buchgeld dreht die entstehenden Anreize, im Vergleich zu einer Kreditvergabe aus Bargeld zwischen zwei Privatpersonen, regelrecht um: Normalerweise hätte ein Kreditgeber Interesse daran, sein Geld möglichst schnell zurück zu bekommen, weil er tatsächlich in der Zeit des laufenden Kredites darauf verzichtet, mit seinem Geld zu wirtschaften. Da Buchgeld durch Rückzahlung vernichtet wird und die Rückzahlung einfach nur das Ende des Zinsgeschäftes bedeutet, ist es im Fall der Geschäftsbanken umgekehrt.
Aus demokratietheoretischer Sicht muss das bestehende System der Buchgeldschöpfung scharf verurteilt werden, denn es handelt sich hierbei um ein oligarchisches Herrschaftsverhältnis. Als eine erste Notfallmaßnahme soll hier vorgeschlagen werden, die Lizenz zum Erschaffen von Buchgeld den Geschäftsbanken zu entziehen und in die Hände des Staates – sprich einer demokratisch organisierten Gesellschaft – zu legen.
Ebenfalls ist es möglich, parallel zum jetzigen Geldsystem, neue, basisdemokratische, kommunale, öffentliche Geldsysteme zu etablieren. Zahlreiche funktionierende Regiogelder existieren bereits.
Nach demokratietheoretischen Gesichtspunkten ergeben sich hierbei folgende Fragen:
· Wieso hat der Staat Privatbanken die Lizenz zur Geldschöpfung übertragen? Die direkte Vergabe von Krediten an die öffentliche Hand durch die Zentralbank ist im Euroraum seit der zweiten Stufe der Europäischen Währungsunion von 1994 verboten, d. h. der Staat muss sich Geld bei Geschäftsbanken bzw. am Rentenmarkt leihen.
· Wieso verschuldet sich der Staat – also wir alle – bei Privatbanken in Geldeinheiten, die diese schöpfen?
· Wieso wird das Bereitstellen eines funktionierenden Geldsystems als größtenteils private und nicht als öffentliche Aufgabe betrachtet?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen führen zu einer weiteren, entscheidenden Frage: Nämlich wie ohne ein demokratisches, gerechtes Geldsystem ein demokratisches politisches System und eine stabile Wirtschaftsordnung möglich sein soll.
Die Frage, ob wir in einer Demokratie oder unter einer Diktatur der Finanzmärkte leben wollen, hängt zentral von der Art des Geldsystems ab, dass wir nutzen.
Abschließende Nachbetrachtung
Die Blickwinkel aus dieser Studie zeigen deutlich wie dringend eine tiefgreifende Reform unseres Geldsystems notwendig ist. Leider jedoch wehren sich fast alle EntscheidungsträgerInnen gegen Veränderungen. Auch wenn Einige den Willen zur Veränderung bei öffentlichen Auftritten unterstreichen ist dieses fast ausnahmslos gelogen. Den Beweis dafür halten sie in Händen, denn dieses offensichtlich hochaktuelle Papier ist schon fast zwei Jahre alt. In den letzten zwei Jahren hat sich nichts, aber auch gar nichts zum Besseren geändert. Es hat sich sogar noch weiterhin verschlechtert, denn die Höhe der Mindestreserve wurde von 2% auf 1% gesenkt. Ansonsten wurden nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Original vorgenommen. Die Überarbeitung des Originals (http://le-bohemien.net/2011/09/09/wie-banken-geld-machen/) mit anschließender Veröffentlichung geschieht mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
Bislang nicht erfüllte Forderungen der EOZB
· Bürgermitbestimmung in der EZB!
· Offenlegung aller Geschäfte der EZB!
· Goldreservenlagerung in der Euro-Zone!
· Keine Mengentender-Kredite durch die EZB!
Nähere Erläuterungen zum Verständnis dieser Forderungen finden Sie in unserer Veröffentlichung vom 10.1.2013.
Kurze Vorbetrachtung
Mit unserer aktuellen Veröffentlichung möchten wir durch das Aufzeigen von Tatsachen und Wechselwirkungen in unserem Geldsystem auf akute Probleme hinweisen. Der Vorstand der EOZB ist einstimmig in der Meinung, dass das derzeitige, völlig undemokratisch funktionierende Finanzsystem dringend einer tiefgreifenden Reform bedarf. Einige Kernprobleme werden durch die folgende Analyse deutlich.
Wie Banken Geld machen
Einblicke in ein Schneeballsystem
Die hier dargestellten Mechanismen des Geldsystems sollen nicht die klassischen, weitestgehend bekannten Probleme des Kapitalismus negieren. Eine aufgeklärte Geldsystemanalyse ist nicht als „Verkürzte Kapitalismuskritik“ zu verstehen, sondern vielmehr als Erweiterung eben dieser Kapitalismuskritik. Auch ist mit den dargestellten mathematisch-logischen Fakten des Geldsystems keine Kritik an bestimmten Berufsgruppen zu verwechseln. Ziel ist viel mehr aufzuzeigen, dass die Probleme im Geldsystem systemischer Natur sind, nicht akteursbezogener.
Im gesellschafts- politischen Diskurs sind derzeit aus fast allen politischen Richtungen systemkritische Stimmen zu hören. „Konservative“ erkennen dass „Linke“ oft Recht hatten, es wird gemahnt und gewarnt, und dass der real existierende Kapitalismus nicht funktioniert, scheint mittlerweile eine Binsenweisheit geworden zu sein.
Dennoch tut die immer breitere Kritik dem derzeitigen EU-Krisenmanagement keinen Abbruch. Die europäische Polit-Elite droht mit dem umstrittenen ESM-Vertrag das europäische Demokratie- und Transparenzdefizit nicht nur zu zementieren, sondern auch nationalstaatliche Handlungsspielräume weiter einzuschränken, so die Kritiker des so genannten Rettungsschirms.
Auch wenn generell eine koordinierte Wirtschafts- und Finanzpolitik Teil einer Währungsunion sein sollte, stellt sich doch die Frage, unter welchen Voraussetzungen und Kriterien dieser Politikwechsel nun verwirklicht werden soll.
Die öffentliche Debatte über Geld wird derweil unermüdlich geführt, doch woher Geld überhaupt kommt und wie unser Geldsystem funktioniert, wird dabei kaum erörtert. Dass der im Geldsystem verankerte Zinseszins mathematisch bedingt zu einer immer stärkeren Vermögensumverteilung führt, ist unwiderlegt. Kritiker dieser These werden zwar vereinzelt noch laut, lassen sich aber recht leicht widerlegen.
Ein weiterer bedeutender, aber viel seltener diskutierter Fehler im derzeitigen Geldsystem liegt jedoch in der gängigen Praxis der Geldschöpfung. Diese Praxis ist zutiefst ungerecht und undemokratisch. Da es ohne ein demokratisches Geldsystem auf Dauer auch keine funktionierende Demokratie geben kann, soll im Folgenden noch einmal detailliert diese Thematik vertieft werden.
Die Mindestreserve
Neben den Basler Richtlinien zur Eigenkapitalquote nimmt die Mindestreserve der Geschäftsbanken bei der Zentralbank eine wichtige Funktion im derzeitigen Geldsystem ein. Diese Mindestreserve beträgt im Euroraum derzeit 1%. Die Mindestreserve muss von einer Geschäftsbank auf dem eigenen Zentralbankkonto hinterlegt werden – und zwar für das Buchgeld, das die Geschäftsbank auf den Girokonten ihrer Kunden gutgeschrieben hat.
Erzeugung von Buchgeld
Da eine Bank also nur über 1% der von ihr gebuchten Gelder wirklich verfügen muss, ergibt sich daraus, dass die Bank Geld erzeugen oder auch „schöpfen“ kann. Um einen Kredit von 10.000 Euro zu vergeben benötigt die Bank 100 Euro anderweitig nicht benötigtes Guthaben auf ihrem Zentralbankkonto. Verfügt die Bank über diese Rücklage bei der Zentralbank, kann der Kredit an den Kunden direkt vergeben werden: Dem Kunden der Bank werden also einfach 10.000 Euro auf seinem Girokonto gutgeschrieben. Geld das vorher niemand anderes besaß, es wurde durch die Kreditvergabe erst geschöpft, sprich die Information hierüber wird in die Computerdatei des Girokontos geschrieben. Obwohl die Bank das geschöpfte Geld vor dem Kredit nicht besessen hatte, da es schlichtweg nicht existierte, ist sie nun berechtigt Zins für das neu geschöpfte und zugleich verliehene Geld zu kassieren. Zu beachten ist auch: Analog zur Erzeugung des Buchgeldes durch Kreditvergabe wird das Buchgeld durch Kreditrückzahlung wieder vernichtet; d.h. würden (in einem theoretischen Moment) tatsächlich alle Kredite zurückgezahlt, gäbe es kein Buchgeld mehr.
Durchführung der Kreditvergabe
Klassischerweise mussten Kreditnehmer vorweisen „kreditwürdig“ zu sein. De facto wurden diese Voraussetzungen jedoch längst außer Kraft gesetzt, da Banken natürlich ein Interesse daran haben immer mehr Schuldner zu erzeugen. Privathaushalte (bspw. im Zuge der Subprime-Kreditvergabe), Unternehmen und schließlich ganze Staaten gerieten und geraten so massenhaft in die Schuldenfalle. Aber was genau geschieht nun bei der Kreditvergabe von 10.000 Euro an einen Bankkunden? Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Fall Eins: Die Geschäftsbank verfügt auf ihrem Zentralbankkonto noch über 100 Euro, als so genannte Überschussreserve. Mit 100 Euro freiem Guthaben auf ihrem Zentralbankkonto kann die Bank wie oben beschrieben 10.000 Euro Kredit vergeben.
Fall Zwei: Die Bank nimmt einen Kredit von der Zentralbank über die 100 Euro auf und vergibt dafür einen Kredit von 10.000 Euro. Dies ist laut dem oben genannten PDF der Bundesbank der Normalfall. Für die 100 Euro zahlt die Bank den Leitzins an die Zentralbank und kassiert den weit höheren Kreditzins über 10.000 Euro vom Kunden.
Fall Drei: Ein anderer Kunde zahlt 105 Euro in bar bei der Bank ein und die Bank bucht die 105 Euro auf ihrem Zentralbankkonto ein. In diesem Fall kann die Bank dann 100 Euro Bargeld als Absicherung für den 10.000-Euro-Kredit benutzen. Die verbliebenen 5 Euro Bargeld reichen als Reserve für bis zu 500 Euro Sichteinlage des Kunden, der die 105 Euro Bargeld eingezahlt hat, welches nun zu Buchgeld auf seinem Girokonto bei der Geschäftsbank geworden ist. In diesem Fall spart die Bank die Zinsen für den 100-Euro-Kredit von der Zentralbank.
Fall Vier: Ein Kunde legt 10.000 Euro Sichteinlagen für mindestens 2 Jahre auf einem Sparbuch fest an. Dieses Geld wird dadurch zur Spareinlage und muss nicht mehr von der Mindestreserve der Bank abgedeckt werden.
Falls der Kunde das Geld allerdings bar abheben will, müsste sich die Bank 10.000 Euro Bargeld besorgen, sofern sie diese gerade nicht im Tresor hat. Das bedeutet, sie müsste im Extremfall weitere 10.000 Euro bei der Zentralbank als Kredit aufnehmen und sich in bar auszahlen lassen. Wird nun nach der Kreditvergabe der Kredit in Höhe von 10.000 Euro als Bargeld ausgezahlt und bei einer anderen Bank wieder eingezahlt (siehe Fall Drei), könnte diese Bank dann diese Summe wieder bei der Zentralbank hinterlegen, diese 10.000 Euro, die dann wieder Buchgeld sind, mit 100 Euro Bargeld absichern, und die verbleibenden 9.900 Euro Bargeld nutzen, um 990.000 Euro Buchgeld zu schaffen. Wie viel Geld Banken durch Kredit schöpfen können ist also auch vom Verhalten ihrer Kunden abhängig. Wenn eine Bank viele kleine Privatkunden hat, die relativ viel Bargeld abheben und wenig digitale Geschäfte tätigen, wird sie relativ mehr Bargeld brauchen als eine sehr große Geschäftsbank mit vielen Großkunden, die ihre Geschäfte meist digital abwickeln.
Verhältnis Bargeldmenge zu Buchgeldmenge
Aus der aufgezeigten Kreditvergabepraxis ergibt sich, dass nur für einen Teil der Buchgeldmenge, Bargeld zum Auszahlen existiert. Dennoch wird von Seiten der Banken versucht, den Eindruck zu erwecken, jeder Kunde könnte jederzeit sein Geld abheben. Es liegt im Interesse der Banken Buchgeld als kongruent zu Bargeld erscheinen zu lassen. Allerdings ist nur Bargeld (also Zentralbankgeld) gesetzliches Zahlungsmittel. Geschäftsbanken sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Geschäfte digital getätigt werden ohne dass echtes Bargeld zum Einsatz kommt, denn eine Geschäftsbank kann nicht beliebig hohe Kredite von der Zentralbank aufnehmen. Diese müssen wiederum besichert sein. Die genauen Geschäftsgebaren zwischen Geschäftsbanken zu Zentralbanken sind jedoch sehr komplex. Als Kunde kann man die Macht von Geschäftsbanken schmälern in dem man möglichst viel Bargeld vom eigenen Girokonto abhebt.
Tilgung des Kredits
Da das von Beginn an todgeweihte Buchgeld durch Kreditrückzahlung wieder vernichtet wird, entsteht für die Banken ein Anreiz, die Tilgung zeitlich so weit zu verzögern wie möglich. Die von der Bank vorgeschlagene monatliche Tilgung (=Kreditrückzahlung) ist im Normalfall viel niedriger als der monatlich zu zahlende Zins. Sondertilgungen sind nicht immer möglich. Durch diese vorherige Festlegung wird es dem Kunden unmöglich gemacht, vorzeitig das Kreditverhältnis zu beenden, auch wenn er theoretisch dazu in der Lage wäre. Ziel der Banken ist es, Kunden möglichst lange in der Zinszahlungspflicht zu halten.
Das Zinssystem als weiteres ungerechtes Element des Geldsystems
Die Erlaubnis für einen “Rohstoff” (Buchgeld), der einfach als digitale Recheneinheit geschaffen wird einen Preis (Zins) kassieren zu dürfen, ist ein Alleinstellungsmerkmal der Banken am Markt. Buchgeld zieht zudem weiteres Geld an. Wer viel hat, bekommt im bestehenden Geldsystem immer noch mehr: Geld das auf Konten oder Sparbüchern geparkt ist und verzinst wird, wird durch die Zinsen mehr und die Gesamtsumme wird dann wiederum verzinst, der so genannte Zinseszinseffekt. Mathematisch gesehen handelt es sich hierbei um eine Exponentialfunktion: eine Kurve, die erst langsam ansteigt aber nach einigen Jahrzehnten regelrecht nach oben “explodiert“. Wer hingegen verschuldet ist, muss nicht nur seine Schuld abtragen, sondern auch noch die Zinsen für seinen Kredit finanzieren. Zu beachten gilt dabei auch, dass die „vollen“ Konten der Einen das Rückzahlen der Schulden der Anderen erschweren bzw. unmöglich machen.
Wie oben aufgezeigt entsteht Buchgeld als Schuld. Wird Buchgeld auf einem Konto gespart und nicht mehr ausgegeben, muss die Buchgeldmenge also weiter erhöht werden, damit überhaupt an anderer Stelle die laufenden Kredite (=Schulden) bedient werden können. Dies führt zu immer neuen Schulden. Auch die Tatsache, dass der Zins in der geschöpften Kreditbuchgeldmenge nie enthalten sein kann, führt zu immer neuen Schulden. Der Zins muss entweder der bereits vorhandenen Geldmenge anderer Marktteilnehmer entnommen werden, oder aber wiederum durch neue Kredite finanziert werden (entweder vom Kreditnehmer selbst, oder von anderen Markteilnehmern, die ihrerseits im Wirtschaftsprozess den Beispielkreditnehmer bezahlen). Ein klassisches Schneeballsystem.
Sonderfall der Buchgeldschöpfung
Es wird immer wieder behauptet, Banken könnten nicht einfach für sich selbst Buchgeld erschaffen. Die Bundesbank widerspricht dem in folgendem Zitat eindeutig: „Auch kann die Geschäftsbank den Ankauf eines Vermögenswerts durch Gutschrift des Kaufbetrags auf dem Konto des Verkäufers bezahlen. Sie ist dann Eigentümerin des Vermögenswerts. Das kann beispielsweise eine Immobilie sein, die sie selbst nutzt oder die laufend Mietertrag abwirft. Bezahlt bzw. finanziert hat sie diese Immobilie mit selbst geschaffenem Giralgeld.”
Fazit
Die Buchgeldmengensteuerung über eine Mindestreserve von nur 1% bietet Banken den Ausgangspunkt zum Schaffen von neuem Geld. Die Entstehung des Geldes als Schuld (also als laufender Kredit für den Zinsen zu entrichten sind) gepaart mit ungleicher Verteilung desselben, sorgt ebenfalls für immer neue Schulden. Hinzu kommt die Geldmenge der Zinsen, die als Preis der Buchgeldmenge nicht in ebendieser Buchgeldmenge enthalten sein kann, und somit wiederum nach Finanzierung über neue Schulden verlangt.
Mit einem solchen Blick auf die uns oft verborgenen Mechanismen im Geldsystem, lässt sich schließlich auch die Entstehung des modernen Finanzkapitalismus miterklären. Die riesigen Buchgeldmengen schreien nach Anlagemöglichkeiten. Dies ist, neben anderem, ein Grund für die Entwicklung von immer neuen „Finanz-Produkten”. Die Kreditvergabe durch Buchgeld dreht die entstehenden Anreize, im Vergleich zu einer Kreditvergabe aus Bargeld zwischen zwei Privatpersonen, regelrecht um: Normalerweise hätte ein Kreditgeber Interesse daran, sein Geld möglichst schnell zurück zu bekommen, weil er tatsächlich in der Zeit des laufenden Kredites darauf verzichtet, mit seinem Geld zu wirtschaften. Da Buchgeld durch Rückzahlung vernichtet wird und die Rückzahlung einfach nur das Ende des Zinsgeschäftes bedeutet, ist es im Fall der Geschäftsbanken umgekehrt.
Aus demokratietheoretischer Sicht muss das bestehende System der Buchgeldschöpfung scharf verurteilt werden, denn es handelt sich hierbei um ein oligarchisches Herrschaftsverhältnis. Als eine erste Notfallmaßnahme soll hier vorgeschlagen werden, die Lizenz zum Erschaffen von Buchgeld den Geschäftsbanken zu entziehen und in die Hände des Staates – sprich einer demokratisch organisierten Gesellschaft – zu legen.
Ebenfalls ist es möglich, parallel zum jetzigen Geldsystem, neue, basisdemokratische, kommunale, öffentliche Geldsysteme zu etablieren. Zahlreiche funktionierende Regiogelder existieren bereits.
Nach demokratietheoretischen Gesichtspunkten ergeben sich hierbei folgende Fragen:
· Wieso hat der Staat Privatbanken die Lizenz zur Geldschöpfung übertragen? Die direkte Vergabe von Krediten an die öffentliche Hand durch die Zentralbank ist im Euroraum seit der zweiten Stufe der Europäischen Währungsunion von 1994 verboten, d. h. der Staat muss sich Geld bei Geschäftsbanken bzw. am Rentenmarkt leihen.
· Wieso verschuldet sich der Staat – also wir alle – bei Privatbanken in Geldeinheiten, die diese schöpfen?
· Wieso wird das Bereitstellen eines funktionierenden Geldsystems als größtenteils private und nicht als öffentliche Aufgabe betrachtet?
Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen führen zu einer weiteren, entscheidenden Frage: Nämlich wie ohne ein demokratisches, gerechtes Geldsystem ein demokratisches politisches System und eine stabile Wirtschaftsordnung möglich sein soll.
Die Frage, ob wir in einer Demokratie oder unter einer Diktatur der Finanzmärkte leben wollen, hängt zentral von der Art des Geldsystems ab, dass wir nutzen.
Abschließende Nachbetrachtung
Die Blickwinkel aus dieser Studie zeigen deutlich wie dringend eine tiefgreifende Reform unseres Geldsystems notwendig ist. Leider jedoch wehren sich fast alle EntscheidungsträgerInnen gegen Veränderungen. Auch wenn Einige den Willen zur Veränderung bei öffentlichen Auftritten unterstreichen ist dieses fast ausnahmslos gelogen. Den Beweis dafür halten sie in Händen, denn dieses offensichtlich hochaktuelle Papier ist schon fast zwei Jahre alt. In den letzten zwei Jahren hat sich nichts, aber auch gar nichts zum Besseren geändert. Es hat sich sogar noch weiterhin verschlechtert, denn die Höhe der Mindestreserve wurde von 2% auf 1% gesenkt. Ansonsten wurden nur geringfügige Änderungen gegenüber dem Original vorgenommen. Die Überarbeitung des Originals (http://le-bohemien.net/2011/09/09/wie-banken-geld-machen/) mit anschließender Veröffentlichung geschieht mit freundlicher Genehmigung der Autoren.
Bislang nicht erfüllte Forderungen der EOZB
· Bürgermitbestimmung in der EZB!
· Offenlegung aller Geschäfte der EZB!
· Goldreservenlagerung in der Euro-Zone!
· Keine Mengentender-Kredite durch die EZB!
Nähere Erläuterungen zum Verständnis dieser Forderungen finden Sie in unserer Veröffentlichung vom 10.1.2013.