08.11.2012
Weder die Bundesregierung noch das EU-Parlament sind dazu in der Lage (vielleicht wollen sie es auch gar nicht) allen betroffenen Bürgern die möglichen Rettungsinstrumente zum Erhalt des Euros zu erklären. Deshalb hat der Vorstand der EOZB beschlossen ein Essay unserer Stiftung für politische Philosophie zu veröffentlichen.
Von Fallschirmen und deren Rettung
Wirtschaftliche Rettungsschirme folgen der Logik von Fallschirmen: Bevor jemand abschmiert, öffnet sich der Schirm und der freie Fall wird abgebremst, damit es zu einer sicheren Landung kommen kann. Damit bei Fallschirmen der Luftwiderstand ausreichend ist, um einen Körper auch wirklich abzubremsen, muss die Form und die Spannweite entsprechend groß sein. Ähnlich ist es auch bei einem Rettungsschirm, denn wenn nicht genügend Geld im Hintergrund angehäuft ist, dann taugt er weder dazu, um Gläubigern finanzielle Liquidität zu garantieren, noch dazu, um im Ernstfall einen Schuldendienst auszubezahlen. Europa hat aktuell zwei Rettungsschirme. Der ESFS aus dem Jahr 2010 und den ESM, der im September 2012 offiziell in Kraft gesetzt wurde. Die Entstehungsgeschichte beider mag die eine oder andere emotionale Grundsatzdebatte auslösen und die Frage, ob bestehende Verträge zwischen den europäischen Völkern dabei missachtet wurden, wird derzeit von Gerichten wie dem EuGH geklärt, aber soll an anderer Stelle thematisiert werden. Hier sollen die nackten Zahlen einmal auf ein paar kritische Fragen treffen, um den IST-Zustand zu verstehen und einen Ausblick auf den Erfolg dieser Finanzrettung zu ermöglichen.
Zu viele Nullen
Vor wenigen Jahren wurde noch in Millionen gerechnet und die Milliarde war eine Ausnahme in politischen und gesellschaftlichen Gesprächen. Das hat sich jedoch gewandelt und um endlose Zahlenkolonnen von 0ern zu vermeiden, wird hier die Abkürzung Mrd. benutzt. Trotzdem hilft es sich zu vergegenwärtigen, dass 1 Mrd. eigentlich 1.000.000.000 bedeutet. Oder 1000 Millionen. Oder 40.000 Jahre als Angestellter bei einem Jahreseinkommen von 25.000€ (2083€ pro Monat). Nur damit einmal eine Vorstellung davon vermittelt wurde, über wie viel Geld nun gesprochen wird.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) besitzt ein garantiertes Startkapital von 700 Mrd. €. Damit übertrifft er deutlich die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), deren Volumen 440 Mrd. € sind. Ursprünglich sollte im ESM das Geld, das für den EFSF gedacht war und noch nicht eingesetzt wurde, integriert werden. Jedoch wurde wenige Monate vor der Ratifizierung des ESM beschlossen, beide Rettungsschirme parallel weiterlaufen zu lassen. Insgesamt sind es also derzeit 1,14 Billionen €, die die Euroländer als Hilfsmaßnahme garantiert haben. Davon wurden beim EFSF an Griechenland, Irland, Spanien, Portugal und Zypern schon 370 Mrd. € zugewiesen. Nun gilt beim ESM der Grundsatz, dass alle Euroländer Gelder für den Rettungsschirm bereitstellen. Sollte ein Land das benötigte Geld nicht bezahlen können, wird dessen Anteil von den noch liquiden Ländern bezahlt. Dieser Logik folgend ergibt sich nun eine Frage: Wenn fünf Länder schon Geld aus einem Rettungsschirm bekommen, wie viel müssen die anderen Länder denn derzeit mehr bezahlen? Laut ESM Vertrag schultern diese fünf Länder 19,0278% des Gesamtkapitals (ca. 133 Mrd. €). Deutschland als größter Gläubiger mit 27,1464% müsste also etwa 36 Mrd. € mehr bezahlen (also 226 Mrd. €). Das widerspricht also schon jetzt dem Urteil des BGH vom 12.09.2012, in dem die Karlsruher Richter erklärten, dass nur die Summe von 190 Mrd. € durch Deutschland garantiert werden darf, solange der Bundestag nicht eine Erhöhung beschließt. Es zeigt sich also, dass der rechtlich festgelegte Rahmen schon zum Auftakt des neuen Rettungsschirms gesprengt wird. Hinzu kommt übrigens die Haftung für die Gelder des EFSF, bei denen Deutschland für 148 Mrd. € haftet. Nach den derzeitigen Verträgen haftet Deutschland also für mindestens 374 Mrd. €. Aber was bedeutet diese Haftung eigentlich? Immerhin gibt es kein schuldenfreies Land in der Eurozone und sobald irgendwelche Haftungen fällig werden, muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Das heißt im Klartext, dass sämtliche Länder selbst neue Schulden aufnehmen müssen, sobald Kapital abgerufen wird. Wenn man nun an die Schwierigkeiten denkt, die Italien bis vor Kurzem hatte, als es neue Staatsanleihen herausgeben wollte, dann kann man den Dominoeffekt absehen, sobald der Ernstfall eintreten wird. Dann wird die erhöhte Schuldenlast die Staaten, die jetzt schon leichte Probleme am Finanzmarkt haben, auch in die Arme der Rettungsschirme treiben und dadurch die Belastung der restlichen Staaten weiter erhöhen. Ob ein stabiler Zustand gewährleistet werden kann, ist kaum abzusehen und sicherlich werden vor allem die Spekulanten an diesem Umstand ihre Freude haben.
Von Los und Lösung
Schlagworte wie 'Vertrauen der Märkte'' und 'Stabilität des Interbankenhandels' sind inzwischen in der öffentlichen Debatte allgegenwärtig. Tatsächlich wird bei dieser Diskussion der Stellenwert des Finanzmarkts für die Krisenbewältigung höher eingestuft als die Realwirtschaft. Investitionsprogramme in der Größenordnung der Rettungsschirme hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit auf eine nachhaltige, positive Entwicklung als die Rettung von Finanzinstituten, die inzwischen durch den ESM explizit auch gesondert von den zugehörigen Nationalstaaten „gerettet“ werden können. Die staatlichen Haushalte hätten durch die Förderung der Realwirtschaft ein erhöhtes Steueraufkommen zu erwarten. Dieser Effekt tritt durch die fehlenden bzw. niedrigeren Steuern bei Spekulationen und Transaktionsgeschäften nur in sehr geringem Maße auf. In beiden Fällen jedoch müssen für die Rettungsschirme große Kredite gegenfinanziert werden, für die viele Regierungen zu Sparmaßnahmen in ihren Haushalten greifen. Die Folge von fehlendem Augenmaß sieht man im Einbruch der Realwirtschaften.
Die Folgen der Einführung von Rettungsschirmen
Abgesehen von der umfassenden Propagandaschlacht, die sich Befürworter und Gegner der Rettungsschirmidee in den Massenmedien geliefert haben, kann man weitere Konsequenzen erwarten. Ähnlich wie die Verbreitung des Fallschirms dazu geführt hat, dass sich von Sportarten vom Formationssprung bis hin zu den Extremen des Basejumping entwickelt haben, werden auch die Rettungsschirme dazu führen, dass Personengruppen ganz gezielt auf die unterschiedlichen Eigenheiten des ESM angepasste Finanzprodukte entwickeln werden, die teilweise die Schutzmechanismen ausnutzen, teilweise einen Kollaps provozieren werden. Ursache dafür ist eben die Logik der Gewinnmaximierung. Das Ziel der Finanzmarktakteure ist in erster Linie eben nicht die Stabilisierung des Euroraums und deshalb werden stabilisierende Effekte höchstens mit untergeordneter Priorität verfolgt werden. Wo die höhere oder die sicherere Rendite lockt, werden gesellschaftliche Verwerfungen billigend in Kauf genommen werden. Vor Kurzem hat der erste Mensch nach einem Sprung aus der Stratosphäre im freien Fall die Schallgeschwindigkeit durchbrochen und war sich der Gefahr für sein Leben durchaus bewusst. Leicht hätte die Pressemeldung nicht über die erfolgreiche Landung, sondern vom Fettfleck und dem Krater in der Wüste New Mexikos handeln können, den der Extremsportler hinterlassen hätte. Und so werden sich eben auch die Risikofreudigen im Spekulationsgeschäft finden, bei deren Scheitern keine persönliche Tragödie folgen würde, sondern ein volkswirtschaftliches Erdbeben, das auf der Richterskala an die Pleite der Investmentbank namens Lehman Brothers Inc. heranreichen könnte.
Auch sind die psychologischen Folgen kaum abzusehen, welche die scheinbare Sicherheit eines Rettungsschirms auf das Verhalten der politischen Klasse haben kann. Der Eurobeitritt Griechenland führte dort zu einer Verschuldungspolitik, da Kredite günstig zu haben waren. Erste Anzeichen für die psychologischen Auswirkungen kann man im Umdenken der EZB sehen, die inzwischen Staatsanleihen am Sekundärmarkt unbegrenzt aufkaufen will, obwohl dieses Verhalten eigentlich ausdrücklich nicht im Aufgabenfeld der EZB zu finden ist. Aber da das ESM-Vertragswerk diesen Aspekt nicht abgedeckt hat, ergänzte Herr Draghi und der Vorstand der EZB die Rettungsmaßnahmen Europas um eben jenen Aspekt. Die Logik hinter diesem Verhalten ist dasselbe: Sicherstellung der Refinanzierung durch Methoden der Finanzwirtschaft!
Andere Lösungsansätze liegen außerhalb der Vorstellungskraft der Institutionen. Als Gegenbeispiel sei hier schließlich Island erwähnt, deren Umgang mit der Finanzkrise 2008/2009 einen ganz anderen Ansatz verfolgt hat und deren Wirtschaft ganz im Gegensatz zu Griechenland, Irland und Spanien inzwischen durchaus den Eindruck macht, die Finanzkrise hinter sich zu lassen. Natürlich kann man die Situation in Island nicht ohne Abstriche mit der Situation in Europa vergleichen, aber zur Inspiration kann man den das isländische Vorbild durchaus heranziehen.
Deshalb stellt sich abschießend die Frage, ob der Fallschirm, der aufgespannt wurde, um den wirtschaftlichen Sturz Europas abzubremsen, überhaupt für die stürmischen Luftschichten geeignet ist, in denen wir derzeit hin und her geworfen werden.
Fazit
Auch dieses Essay zeigt überdeutlich, dass es eher darum geht den Bürgern eine trügerische Sicherheit vorzugaukeln als eine stringente Finanzmarktkontrolle zu etablieren.
Weder die Bundesregierung noch das EU-Parlament sind dazu in der Lage (vielleicht wollen sie es auch gar nicht) allen betroffenen Bürgern die möglichen Rettungsinstrumente zum Erhalt des Euros zu erklären. Deshalb hat der Vorstand der EOZB beschlossen ein Essay unserer Stiftung für politische Philosophie zu veröffentlichen.
Von Fallschirmen und deren Rettung
Wirtschaftliche Rettungsschirme folgen der Logik von Fallschirmen: Bevor jemand abschmiert, öffnet sich der Schirm und der freie Fall wird abgebremst, damit es zu einer sicheren Landung kommen kann. Damit bei Fallschirmen der Luftwiderstand ausreichend ist, um einen Körper auch wirklich abzubremsen, muss die Form und die Spannweite entsprechend groß sein. Ähnlich ist es auch bei einem Rettungsschirm, denn wenn nicht genügend Geld im Hintergrund angehäuft ist, dann taugt er weder dazu, um Gläubigern finanzielle Liquidität zu garantieren, noch dazu, um im Ernstfall einen Schuldendienst auszubezahlen. Europa hat aktuell zwei Rettungsschirme. Der ESFS aus dem Jahr 2010 und den ESM, der im September 2012 offiziell in Kraft gesetzt wurde. Die Entstehungsgeschichte beider mag die eine oder andere emotionale Grundsatzdebatte auslösen und die Frage, ob bestehende Verträge zwischen den europäischen Völkern dabei missachtet wurden, wird derzeit von Gerichten wie dem EuGH geklärt, aber soll an anderer Stelle thematisiert werden. Hier sollen die nackten Zahlen einmal auf ein paar kritische Fragen treffen, um den IST-Zustand zu verstehen und einen Ausblick auf den Erfolg dieser Finanzrettung zu ermöglichen.
Zu viele Nullen
Vor wenigen Jahren wurde noch in Millionen gerechnet und die Milliarde war eine Ausnahme in politischen und gesellschaftlichen Gesprächen. Das hat sich jedoch gewandelt und um endlose Zahlenkolonnen von 0ern zu vermeiden, wird hier die Abkürzung Mrd. benutzt. Trotzdem hilft es sich zu vergegenwärtigen, dass 1 Mrd. eigentlich 1.000.000.000 bedeutet. Oder 1000 Millionen. Oder 40.000 Jahre als Angestellter bei einem Jahreseinkommen von 25.000€ (2083€ pro Monat). Nur damit einmal eine Vorstellung davon vermittelt wurde, über wie viel Geld nun gesprochen wird.
Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) besitzt ein garantiertes Startkapital von 700 Mrd. €. Damit übertrifft er deutlich die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF), deren Volumen 440 Mrd. € sind. Ursprünglich sollte im ESM das Geld, das für den EFSF gedacht war und noch nicht eingesetzt wurde, integriert werden. Jedoch wurde wenige Monate vor der Ratifizierung des ESM beschlossen, beide Rettungsschirme parallel weiterlaufen zu lassen. Insgesamt sind es also derzeit 1,14 Billionen €, die die Euroländer als Hilfsmaßnahme garantiert haben. Davon wurden beim EFSF an Griechenland, Irland, Spanien, Portugal und Zypern schon 370 Mrd. € zugewiesen. Nun gilt beim ESM der Grundsatz, dass alle Euroländer Gelder für den Rettungsschirm bereitstellen. Sollte ein Land das benötigte Geld nicht bezahlen können, wird dessen Anteil von den noch liquiden Ländern bezahlt. Dieser Logik folgend ergibt sich nun eine Frage: Wenn fünf Länder schon Geld aus einem Rettungsschirm bekommen, wie viel müssen die anderen Länder denn derzeit mehr bezahlen? Laut ESM Vertrag schultern diese fünf Länder 19,0278% des Gesamtkapitals (ca. 133 Mrd. €). Deutschland als größter Gläubiger mit 27,1464% müsste also etwa 36 Mrd. € mehr bezahlen (also 226 Mrd. €). Das widerspricht also schon jetzt dem Urteil des BGH vom 12.09.2012, in dem die Karlsruher Richter erklärten, dass nur die Summe von 190 Mrd. € durch Deutschland garantiert werden darf, solange der Bundestag nicht eine Erhöhung beschließt. Es zeigt sich also, dass der rechtlich festgelegte Rahmen schon zum Auftakt des neuen Rettungsschirms gesprengt wird. Hinzu kommt übrigens die Haftung für die Gelder des EFSF, bei denen Deutschland für 148 Mrd. € haftet. Nach den derzeitigen Verträgen haftet Deutschland also für mindestens 374 Mrd. €. Aber was bedeutet diese Haftung eigentlich? Immerhin gibt es kein schuldenfreies Land in der Eurozone und sobald irgendwelche Haftungen fällig werden, muss Geld zur Verfügung gestellt werden. Das heißt im Klartext, dass sämtliche Länder selbst neue Schulden aufnehmen müssen, sobald Kapital abgerufen wird. Wenn man nun an die Schwierigkeiten denkt, die Italien bis vor Kurzem hatte, als es neue Staatsanleihen herausgeben wollte, dann kann man den Dominoeffekt absehen, sobald der Ernstfall eintreten wird. Dann wird die erhöhte Schuldenlast die Staaten, die jetzt schon leichte Probleme am Finanzmarkt haben, auch in die Arme der Rettungsschirme treiben und dadurch die Belastung der restlichen Staaten weiter erhöhen. Ob ein stabiler Zustand gewährleistet werden kann, ist kaum abzusehen und sicherlich werden vor allem die Spekulanten an diesem Umstand ihre Freude haben.
Von Los und Lösung
Schlagworte wie 'Vertrauen der Märkte'' und 'Stabilität des Interbankenhandels' sind inzwischen in der öffentlichen Debatte allgegenwärtig. Tatsächlich wird bei dieser Diskussion der Stellenwert des Finanzmarkts für die Krisenbewältigung höher eingestuft als die Realwirtschaft. Investitionsprogramme in der Größenordnung der Rettungsschirme hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit auf eine nachhaltige, positive Entwicklung als die Rettung von Finanzinstituten, die inzwischen durch den ESM explizit auch gesondert von den zugehörigen Nationalstaaten „gerettet“ werden können. Die staatlichen Haushalte hätten durch die Förderung der Realwirtschaft ein erhöhtes Steueraufkommen zu erwarten. Dieser Effekt tritt durch die fehlenden bzw. niedrigeren Steuern bei Spekulationen und Transaktionsgeschäften nur in sehr geringem Maße auf. In beiden Fällen jedoch müssen für die Rettungsschirme große Kredite gegenfinanziert werden, für die viele Regierungen zu Sparmaßnahmen in ihren Haushalten greifen. Die Folge von fehlendem Augenmaß sieht man im Einbruch der Realwirtschaften.
Die Folgen der Einführung von Rettungsschirmen
Abgesehen von der umfassenden Propagandaschlacht, die sich Befürworter und Gegner der Rettungsschirmidee in den Massenmedien geliefert haben, kann man weitere Konsequenzen erwarten. Ähnlich wie die Verbreitung des Fallschirms dazu geführt hat, dass sich von Sportarten vom Formationssprung bis hin zu den Extremen des Basejumping entwickelt haben, werden auch die Rettungsschirme dazu führen, dass Personengruppen ganz gezielt auf die unterschiedlichen Eigenheiten des ESM angepasste Finanzprodukte entwickeln werden, die teilweise die Schutzmechanismen ausnutzen, teilweise einen Kollaps provozieren werden. Ursache dafür ist eben die Logik der Gewinnmaximierung. Das Ziel der Finanzmarktakteure ist in erster Linie eben nicht die Stabilisierung des Euroraums und deshalb werden stabilisierende Effekte höchstens mit untergeordneter Priorität verfolgt werden. Wo die höhere oder die sicherere Rendite lockt, werden gesellschaftliche Verwerfungen billigend in Kauf genommen werden. Vor Kurzem hat der erste Mensch nach einem Sprung aus der Stratosphäre im freien Fall die Schallgeschwindigkeit durchbrochen und war sich der Gefahr für sein Leben durchaus bewusst. Leicht hätte die Pressemeldung nicht über die erfolgreiche Landung, sondern vom Fettfleck und dem Krater in der Wüste New Mexikos handeln können, den der Extremsportler hinterlassen hätte. Und so werden sich eben auch die Risikofreudigen im Spekulationsgeschäft finden, bei deren Scheitern keine persönliche Tragödie folgen würde, sondern ein volkswirtschaftliches Erdbeben, das auf der Richterskala an die Pleite der Investmentbank namens Lehman Brothers Inc. heranreichen könnte.
Auch sind die psychologischen Folgen kaum abzusehen, welche die scheinbare Sicherheit eines Rettungsschirms auf das Verhalten der politischen Klasse haben kann. Der Eurobeitritt Griechenland führte dort zu einer Verschuldungspolitik, da Kredite günstig zu haben waren. Erste Anzeichen für die psychologischen Auswirkungen kann man im Umdenken der EZB sehen, die inzwischen Staatsanleihen am Sekundärmarkt unbegrenzt aufkaufen will, obwohl dieses Verhalten eigentlich ausdrücklich nicht im Aufgabenfeld der EZB zu finden ist. Aber da das ESM-Vertragswerk diesen Aspekt nicht abgedeckt hat, ergänzte Herr Draghi und der Vorstand der EZB die Rettungsmaßnahmen Europas um eben jenen Aspekt. Die Logik hinter diesem Verhalten ist dasselbe: Sicherstellung der Refinanzierung durch Methoden der Finanzwirtschaft!
Andere Lösungsansätze liegen außerhalb der Vorstellungskraft der Institutionen. Als Gegenbeispiel sei hier schließlich Island erwähnt, deren Umgang mit der Finanzkrise 2008/2009 einen ganz anderen Ansatz verfolgt hat und deren Wirtschaft ganz im Gegensatz zu Griechenland, Irland und Spanien inzwischen durchaus den Eindruck macht, die Finanzkrise hinter sich zu lassen. Natürlich kann man die Situation in Island nicht ohne Abstriche mit der Situation in Europa vergleichen, aber zur Inspiration kann man den das isländische Vorbild durchaus heranziehen.
Deshalb stellt sich abschießend die Frage, ob der Fallschirm, der aufgespannt wurde, um den wirtschaftlichen Sturz Europas abzubremsen, überhaupt für die stürmischen Luftschichten geeignet ist, in denen wir derzeit hin und her geworfen werden.
Fazit
Auch dieses Essay zeigt überdeutlich, dass es eher darum geht den Bürgern eine trügerische Sicherheit vorzugaukeln als eine stringente Finanzmarktkontrolle zu etablieren.